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turboschalter

Der Turboschalter beim 914er

… oder wozu ist das mystische Teufelsding eigentlich da???
Nicht Wenige haben sich mit bedienen des Schalters eine neue Kurbelwelle kaufen müssen.


Einleitung

Viele Piloten, die zum ersten mal im Cockpit eines Fliegers mit Rotax 914 Turbo sitzen, entdecken einen seltsamen Schalter.
Meist ist er mager mit „Turbo“ beschriftet. Mit Kappe oder Deckel versehen, teilweise auch verblombt.

Fragt man nun den Piloten was das für ein Schalter ist, kann er häufig nur runterbeten, was in den Flughandbüchern steht oder was ihm bei der Einweisung erklärt wurde.
… ist ja auch kein Problem - den Schalter hat noch niemand betätigt…

Hier nun zwei Beispiele

aus dem Flughandbuch der Diamond HK 36 TTC
Schwingen von Ladedruck und Drehzahl
1. Turbo Steuerung - AUS
2. Propellerverstellhebel - geringfügige Betätigung, damit leichte Veränderung der Drehzahl zum Entlüften
3. Turbo | Steuerung - EIN
Wenn sich der Betriebszustand nicht stabilisiert:
1. Turbo Steuerung - AUS
2. Leistungshebel - Ladedruck im zulässigen Bereich halten
3. Propellerverstellung - Drehzahl im zulässigen Bereich halten
4. Auf dem nächsten geeigneten Flugplatz landen und die Ursache der Störung ermitteln.

Hinweis aus dem Flughandbuch der Dynamic WT9 Turbo:1)


Auf Nachfrage bekommt man dann Antworten wie:

  • damit wird der Turbo ausgeschaltet2)
  • damit schaltet man beim Schleppen Extrapower ein
  • damit kann man vielleicht noch über einen Gipfel kommen, wenn man bereit ist den Motor zu opfern

…. also Antworten, die klar aussagen, dass man eigentlich das System nicht kennt und ihm auch niemand wirklich erklärt hat, was man denn wirklich mit dem Schalter schaltet.


Der interessiete Pilot geht nach den dürftigen Auskünften vielleicht auf Forschungsreise und konsultiert das Betreibshandbuch des 914er von Rotax und findet dazu folgendes im
Operators Manual for ROTAX Engine Type 914 Series, Issue 3, Revision 0 vom 01.08.2019



Im alten, deutschsprachigen Betriebshandbuch für den 914er stand dazu folgender Text:

Periodisches Ansteigen und Abfallen von Ladedruck und Drehzahl (Schwingen des Ladedruckreglers)
Orange Warnlampe der Ladedruckregelung blinkt nicht.

Den Stellmotor kurzfristig (max. 5 sek.) mittels Trennschalter abschalten.
Danach sollte sich nach einer kurzen Regelzeit ein stabiler Betriebszustand einstellen.

ACHTUNG: Sollte sich der Betriebszustand nicht stabilisieren, so ist der Stellmotor komplett abzuschalten.
Gegebenenfalls Drehzahl reduzieren, bis Ladedruck und Drehzahl innerhalb der Betriebsgrenzen liegen.

Eingeschränkter Flugbetrieb, da keine Ladedruckregelung mehr möglich ist.

Bei Abschaltung des Stellmotors, kurzfristig oder permanent, ist vom Piloten im Bordbuch eine Eintragung, mit Angabe von Zeitdauer, Zeitpunkt und Dauer der Deaktivierung vorzunehmen.


…. aha ……
Das sieht schon mal besser aus und erklärt auch einiges.
Noch mehr Klarheit schafft das Einbauhandbuch mit dem dazugehörigen Schaltplan:

Trennschalter für Stellmotor
Der Trennschalter dient dazu, im Falle eines Schwingens des Ladedruckreglers den Stellmotor kurzzeitig abschalten zu können.
Danach sollte sich nach einer kurzen Regelzeit ein stabiler Betriebszustand einstellen.


… so weit, so gut….

Aus dem Schaltplan geht nun ganz genau hervor, was der Schalter eigentlich schaltet.
In den Betriebshandbüchern der Luftfahrzeuge wird der technische Hintergrund ja nicht erklärt, sondern nur ein dubioses Verfahren vorgegeben.

Was geschieht denn nun wirklich??

Die Stromzufuhr zum Servo, welches die Wastegateklappe im Turbolader betätigt, wird unterbrochen.
Das bedeutet, dass sich die Klappe nach dem Betätigen des Schalters kein Stück mehr bewegt.
Nun kommt es darauf an, wie weit die Klappe geschlossen ist und wieviel Gas gegeben wird.
Bei fast geschlossener Klappe und hohe Leistungseinstellung kann es zu einem Überboost3) führen, der möglicherweise ein Verdrehen der Kurbelwelle zur Folge hat.


Überprüft man nun die Verdrehung der Kurbelwelle nach Chapter 72-00-00 CRANKSHAFT DISTORTION INSPECTION des Rotax Maintenance Manual Heavy 912/914 Edition 2 Revision 0, vom 28.10.2022, stellt man möglicherweise folgendes fest:

Kolben an den Kolbenstopper bei Zylinder 1 gedreht und die Gradscheibe auf 0° gestellt.

Kolben an den Kolbenstopper bei Zylinder 2 gedreht und die die Position an der Gradscheibe abgelesen.

Hier sieht man ganz deutlich, dass die Kurbelwelle zwischen den beiden gemessenen Zylindern um ca. 6° verdreht ist und sie erneuert werden muss.


nun etwas Geschichte

Die ersten 914er hatten natürlich auch schon eine TCU4).
Das war die Version 4.3 - P/N 966470.

Anfangs gab es das Problem, dass es vermehrt zum Schwingen des Ladedruckes und der Drehzahl gekommen ist.
Das hat man damals mit dem Schalter in den Griff bekommen, deren Montageanweisung dann auch den Weg ins Einbauhandbuch und die Prozedur des Einsatzes des Schalter in die Flughandbücher gefunden hat.

Seit 1999 gibt es nun aber die Version 4.6 - P/N 966741.
Hier sind andere Maps für die Regelung des Airboxdruckes hinterlegt, sodass das Schwingen - oder Sägen - des Motors so gut wie nie auftritt.

Nach meiner Meinung könnte man sich den Einbau des Schalters und in der Folge die unsäglichen Fehlbedienungen und Motorschäden sparen.

Wenn man nämlich im Standgas den Schalter betätigt, ist die Wastegateklappe komplett geschlossen und man hat Power ohne Ende, wenn auch vermutlich nur sehr kurz.
Leider hat man dann wohl eine verdrehte Kurbelwelle (siehe oben).

Ihr könnt Euch garnicht vorstellen, wie oft das gerade in Vereinen geschieht, die den Flieger zum Schleppen einsetzen.
Die anschließenden Diskussionen laufen auch gern immer nach dem gleichen Schema ab : hätte, wäre, wenn…
Ganz klar ist hier die Unwissenheit und die Geschichten über den Schalter schuld daran.

Eine ganz klare Empfehlung ist, den Schalter zu verplomben und deren Kontrolle in die Checkliste aufzunehmen.
Ist die Plombe beschädigt, ist der Flug zu unterlassen,
die Betriebsparameter der TCU auszulesen
und auf einen Überboost zu überprüfen.


Die Moral von der Geschicht,
betätige den Schalter nicht!


…. doch leider ist das nicht ganz so einfach.

Am sinnvollsten ist es beim Start und auch schon beim Check der Zündkreise ein ständiges Beobachten, ob der Ladedruck auch zur Leistungseinstellung passt.

Hat man den Verdacht, dass etwas nicht so ist, wie es sein sollte, ist der Start lieber abbrechen.


2)
und die meinen tatsächlich, dass der Turbolader als solcher ausgeschaltet wird
3)
mehr als 1550 mbar Airboxdruck
4)
Turbo Control Unit
turboschalter.txt · Zuletzt geändert: von ralf

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